Wer sind wir? Wo stehen wir? Wohin gehen wir?

Um uns selbst zu verstehen und unsere Möglichkeiten und Chancen für ein schönes, sinnvolles Leben erkennen und nutzen zu können, stellt Duane Elgin die Frage, ob wir das Universum als lebendig oder leblos ansehen. Ein totes Universum ist ein trister, ungastlicher Ort und gleicht einem Horrorszenario. Es besteht aus lebloser Materie und erzählt keine Geschichte, denn da ist nichts. Ein trauriger Ort, an dem man hoffnungslos verloren ist.

Natürlich ist das Universum nach unserer Auffassung und Bildung lebendig, betrachten wir die Planeten, die ihren Umlaufbahnen folgen, die Sternenkonstellation, die uns durch das Jahr navigiert und auf die wir uns präzise verlassen können und nicht zuletzt Tag und Nacht. Auf der Erde hat sich die Materie auf eine Weise zu höheren Komplexitätsstufen entwickelt und Lebensformen hervorgebracht.

Doch im Vergleich zum unendlichen Universum ist das menschliche Leben nur ein unbedeutendes Staubflöckchen und doch transportiert das lebendige Universum das angenehme Bild in unsere Vorstellung. Wir stellen uns einen unendlich großen Ort voller unsichtbarer Energie und Lebendigkeit vor, alles ist in Bewegung und es gibt leise und laute Geräusche in einem schier kosmischen Ausmaß.

Diese Perspektive beinhaltet die Annahme, dass wir Menschen als bewusste Lebensform in diesem immensen Raum äußerst kostbar sind. Unsere wichtige Aufgabe ist es, einem Universum zu dienen, das bewusste Lebensformen heranwachsen lässt: Durch uns sieht, weiß, fühlt und lernt das Universum. Wir lernen, wie man immer bewusster in einem lebendigen Universum lebt. Was am meisten zählt, ist nicht Materie, sondern das, was unsichtbar ist – die Lebendigkeit in uns selbst, in unseren Beziehungen und in unserer Umwelt.

Vor einigen hundert Jahren entwickelte sich die materialistische Vorstellung von einem leblosen Universum aufgrund der rationalen Denkweise im Zeitalter der Aufklärung, die es der Menschheit erleichterte, sich von Aberglauben und Ängsten zu befreien, um außergewöhnliche und bahnbrechende intellektuelle und technologische Ideen umzusetzen. Doch dieses Bild nützt der menschlichen Evolution in unserer Zeit nicht mehr. Indem der Materie des Universums die Lebendigkeit entzogen wurde, hat der ursprüngliche Fortschritt der materialistischen Perspektive uns letztendlich die Ausbeutung der Umwelt und eine tiefe weltweite Krise beschert.

Weil die Art und Weise, wie wir das Universum sehen, den Zusammenhang herstellt, innerhalb dessen Grenzen wir unsere Zukunft begreifen und gestalten, ist ein akkurates Verständnis unseres kosmischen Zuhauses absolut notwendig. Während die Vorstellung von einem toten Universum Befremden und Verzweiflung auslöst, erschafft die Vorstellung von einem lebendigen Universum inspirierende und widerstandsfähige Visionen höherer Möglichkeiten für die Menschheit.

Eine weitere Schlüsseleigenschaft lebendiger Systeme ist ihre ständige Erneuerung. Um sich das konkret vorzustellen, überlegen Sie, wie sich Ihr Körper andauernd selbst regeneriert: Die Innenschicht Ihres Darms erneuert sich ungefähr alle fünf Tage, die oberste Schicht Ihrer Haut regeneriert sich alle zwei Wochen. Ungefähr alle zwei Monate bekommen wir eine neue Leber, und die Knochen in unserem Körper werden circa alle sieben bis zehn Jahre vollständig ersetzt. Eine bemerkenswerte Eigenschaft jedes Lebewesens ist also die ständige Regenerierung. Wenn wir nach Hinweisen auf Erneuerung im Universum suchen, entdecken wir etwas, was so unfassbar ist, dass man es buchstäblich nicht begreifen kann – sogar der moderne Verstand nicht, der sich an die seltsamsten Phänomene gewöhnt hat. Einfach ausgedrückt: Anscheinend regeneriert sich das ganze Universum andauernd in einer hoher Geschwindigkeit.

Noch bis vor kurzem ging die vorherrschende Erforschung der modernen Physik davon aus, dass sich seit dem Urknall vor fast 14 Milliarden Jahren kaum etwas verändert hat außer einer Umstellung des kosmischen Mobiliars. Da die traditionelle Physik die Schöpfung als ein einmaliges Wunder aus dem »Nichts« heraus ansah, hielt sie den gegenwärtigen Inhalt des Universums – wie zum Beispiel Bäume, Felsen und Menschen – für Formierungen aus uralter, lebloser Materie. Diese Theorie vom »toten Universum« ging davon aus, dass die Schöpfung nur einmal stattfand – vor Milliarden von Jahren, als eine massive Explosion die Reste von lebloser Materie in genauso einen leblosen Raum schleuderte. Aus einem Mysterium heraus entstand »Leben«, als leblose Atome sich auf unerklärliche Weise organisierten und sich in immer komplexere Formen wie Moleküle, Zellen und Organismen entwickelten.

Konträr dazu betrachtet die Theorie vom lebendigen Universum die Schöpfung nicht als ein einmaliges Ereignis, sondern als einen fortwährenden Prozess. Das ganze Universum wird ständig durch eine ungebrochene Energieströmung aufrechterhalten. Eine regenerative Perspektive deutet an, weshalb im gesamten Universum so viel Energie fließt – sie wird gebraucht, um das gesamte Universum – auch den Stoff aus Raum-Zeit und Materie-Energie – ununterbrochen zu erneuern.

Unser Körper ist ein biologisch abbaubarer Behälter für die Ansammlung von Erfahrungen, die die Seele wachsen lassen. Alles, was wir denken und tun, ist lehrreich für die Seele. Wie Weisheitstraditionen andeuten, sind die Lektionen, die wir gelernt haben, am Ende des Lebens nicht Erinnerungen in Form von Gedanken, sondern hinterlassen ihre einzigartige Signatur auf unserer Seele – der Essenz unseres Wesens. Wenn wir diese Welt verlassen, nehmen wir die destillierte Wissensessenz unserer Lebensreise mit. Wenn wir ein Leben der Zusammenarbeit und des Mitgefühls kultiviert haben, werden wir die Essenz dieser Lebenserfahrungen mitnehmen. Wenn wir ein Leben voller Zorn, Misstrauen und Angst geführt haben, dann wird die Essenz dieser Erlebnisse in den Schwingungskörper unseres Wesens eingebettet sein.

Wir befinden uns an einem großen Wendepunkt der Menschheitsgeschichte. Indem wir diese Biegung nehmen, haben wir die halbe Strecke unserer Rückreise zu einem lebendigen Universum hinter uns gebracht. Auf der zweiten Hälfte der Reise begreifen wir, dass wir keine Brücke zum ersten Wunder mehr brauchen. Wir haben nicht mehr das Gefühl der Abspaltung und suchen daher keine Brücke zur großen Lebendigkeit, sondern bewusste Anführer in dieser Lebendigkeit.

Wie alle Wissenstraditionen der Welt erkannt haben, ist es absolut notwendig für uns, die Kunst der Aufmerksamkeit mit Mitteln wie Meditation, Sinnieren und Gebet bewusst zu entwickeln, wenn wir die subtile Lebendigkeit des Universums erleben wollen. Vergessen Sie nicht: Auf der kosmischen Skala der Dinge sind wir Riesen, und es kann daher leicht passieren, dass wir das übersehen, was auf den feineren Ebenen der Existenz geschieht. Zum Glück ist uns als Spezies die Fertigkeit unseres Bewusstseins als zentrale Eigenschaft mitgegeben – wir haben die deutliche Fähigkeit, uns im Spiegel des Bewusstseins zu sehen. Wie immer wir unsere Fähigkeit für reflexives Erkennen auch nennen mögen – die Wichtigkeit, diese Schlüsseleigenschaft zu entwickeln, wird von jeder großen Weisheitstradition erkannt.

In diesem Buch beschreibt der Autor, wie die Weltreligionen Erfahrungen wie Erleuchtung oder Erwachen betrachten, die auftreten, wenn wir eine bewusstere und intimere Beziehung zum lebendigen Universum eingehen. Wenn sich unsere eigene Lebendigkeit bewusst mit der Lebendigkeit des Universums verbindet, fließt ein Strom aus Lebendigkeit durch uns hindurch, und wir haben ein »erleuchtendes« Erlebnis. Dann sehen wir uns nicht länger im Universum, sondern erleben, dass wir das Universum sind. Da der tiefsinnige Stoff, aus dem das Universum gemacht ist, von seiner Symphonie aus Licht, Liebe, Musik und Wissen durchwebt ist, brauchen wir uns keine Erlebnisse des Erwachens auszudenken oder zu erschaffen. Stattdessen brauchen wir nur unmittelbar zu erleben, was längst auf das Grundwesen des Universums zutrifft. Letztendlich werden wir Wesen kosmischer Dimension und Teilnahme, wenn unser bewusstes Wissen über uns selbst für die Realität unserer Teilnahme in einem stetig fließenden Universum transparent wird. Das bedeutet, dass das Erwachen kein Prozess ist, der sich auf den Körper und das Gehirn beschränkt; stattdessen ist es ein Prozess, bei dem wir für eine immer bewusstere und intimere Beziehung zum lebendigen Universum offen werden.

Anna Ulrich

Das Lebende Universum – Woher wir kommen. Wohin wir gehen.
von Duane Algin

Seiten: 235
ASIN: 3941435043
GTIN: 9783941435049
ISBN-10: 3-941435-04-3
ISBN-13: 978-3-941435-04-9

Hier geht’s direkt zum Buch: https://www.reichel-verlag.de/978-3-941435-04-9.shtml